Tafel erinnert an die Gründung des ersten Arbeiterjugendvereins
Tafel erinnert an die Gründung des ersten Arbeiterjugendvereins
Feierliche Enthüllung der restaurierten Gedenktafel am 10. Oktober
Gedenktafel vor der Restaurierung |
Im Jahre 1904 begann mit der Gründung erster Vereine der Arbeiterjugend
in Berlin und Mannheim der selbst organisierte Kampf der arbeitenden
Jugend um soziale Rechte und eine Zukunft ohne Ausbeutung. Die
Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken feiert am 10. Oktober
den hundersten Jahrestag der Gründung ihrer Vorgängerorganisation. Zur
Erinnerung an diese Gründung wird am 10. Oktober um 10 Uhr in der
Berolinastraße 12 die restaurierte Gedenktafel enthüllt, die an den
Gründungsort des "Vereins der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter
Berlins" erinnert. Die Feier findet im Anschluss an den Bundesausschuss
der Falken in Berlin statt. Am Abend vorher wird gemeinsam mit den
Berliner Jusos, Falken und der Gewerkschaftsjugend in der Geburtstag der
Arbeiterjugendbewegung hinein gefeiert.
Ein Lehrling erhängte sich im Grunewald
Im Zuge der ehemaligen Landsberger Straße stand das Klubhaus Pachura, in
dem 24 junge Arbeiter und Lehrlinge am 10.10.1904 zu einer
konstituierenden Mitgliederversammlung des "Vereins der Lehrlinge und
jugendlichen Arbeiter Berlins" zusammenkamen. Die Wortführer waren Max
Peters (1888 - 1962) und Helmut Lehmann (1882 - 1959), der zum
Vorsitzenden gewählt wurde. Unmittelbarer äußerer Anlass war der
Selbstmord durch Erhängen eines Schlosserlehrlings namens Paul Nähring,
der im Juni 1904 im Berliner Grunewald, mit Schwielen und Beulen
bedeckt, die - wie Nachforschungen ergaben - von Misshandlungen seines
Lehrmeisters herrührten, aufgefunden wurde.
Clubhaus Pachura steht nicht mehr
Im proletarisch geprägten Berliner Osten diente das Clubhaus Pachura in
der Landsberger Straße 39 als Versammlungsort der Berliner
Arbeiterbewegung. Im großen Saal trafen sich vor dem 1. Weltkrieg bis zu
800 Mitglieder des ersten Arbeiterjugendvereins zu Vorträgen und
Debatten. Die Landsberger Straße verschwand 1966, als das
kriegszerstörte Viertel neu bebaut wurde. Der alte Straßenverlauf ist
im Stadtbild nicht mehr zu erkennen. Die Stele zur Erinnerung an die
Vereinsgründung steht vermutlich nur ungefähr am Standort des längst
abgerissenen Clubhauses Pachura.
Das Verschwinden einer Bronzetafel
Die Gedenktafel wurde am 10. Oktober 1974 in einer kleinen Grünanlage
neben dem Wohngebäude Berolinastraße 11 erichtet. Die Inschrift lautet
"DIE ERSTE DEUTSCHE ARBEITERJUGENDORGANISATION VEREIN DER LEHRLINGE UND
JUGENDLICHEN ARBEITER BERLINS WURDE AM 10. OKTOBER 1904 AN DIESEM ORT
GEGRÜNDET". Nachdem verschiedene Quellen berichteten, dass die Tafel
nach der Wende 1990 abmontiert wurde, prüfte die Sozialistische Jugend
Deutschlands - Die Falken eine Wiederherstellung. Schließlich gilt die
Gründung des Vereins als Beginn der selbst organisierten
Arbeiterjugendbewegung und begründet das hundertjährige Jubiläum der
Falken in diesem Jahr. Gemeinsam mit Jusos und anderen
Arbeiterjugendverbänden, die sich ebenfalls auf diese lebendige
Tradition beziehen, einigte man sich, den historischen Ort im Stadtbild
wieder sichtbar zu machen und am Gründungstag zur feierlichen Enthüllung
der wieder hergestellten Tafel einzuladen. Nun stellte sich zwar bei
Recherchen heraus, dass die Tafel weder aus Bronze noch jemals abgebaut
worden war, doch waren umfangreiche Restaurierungsarbeiten erforderlich,
für die die Falken nun aufgekommen
sind.
Die FDJ verstand sich als "wahre Erbin der revolutionären Arbeiterjugendbewegung"
Die Gedenktafel wurde zu einem Zeitpunkt errichtet, als in der DDR die
Ära Ulbricht zu Ende ging und mit der Amtsübernahme Erich Honeckers ein
gewisser Reformoptimismus einher ging. Die Geschichte der
Arbeiterjugendbewegung diente der politischen und ideologischen
Legitimation des politischen Systems der DDR, das von der Staatsführung
in die Tradition der "revolutionären Arbeiterbewegung" gestellt wurde.
Der 70-ste Jahrestag der Vereinsgründung war daher ein günstiger Anlass
für Honecker, um das Selbstbewusstsein des "ersten sozialistischen
Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden" zu zelebrieren. Die
"Junge Welt" dokumentierte eine Rede von Egon Krenz, der den
Jugendverbänden in Westdeutschland die Berechtigung absprach, sich auf
die Gründung des ersten Arbeiterjugendvereins zu beziehen. "Wenn es
heute Kräfte in der SPD der BRD gibt, die die Gründung der ersten
Arbeiterjugendorganisationen auf ihre Fahnen schreiben möchten", sagte
Egon Krenz, "mögen sie nicht vergessen, dass es die opportunistische
Führung der deutschen Sozialdemokratie war, die alles versuchte, damit
sich die organisierte Arbeiterjugendbewegung nicht zu einem
revolutionären Element entwickelt." Die FDJ sei die "wahre Erbin und
würdige Fortsetzerin der revolutionären deutschen
Arbeiterjugendbewegung und sie erweise sich ihres Vermächtnisses
würdig."