Antifaschismus 60 Jahre nach Kriegesende

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Positionen Antifaschismus 60 Jahre nach Kriegesende

Vorschlag einer Verbandsposition

Unerwartet brach Anfang Februar eine heftige Debatte auf der
Mailingliste der Berliner Falken aus. Über deutsche Schuld, Opfermythen
und den richtigen Antifaschismus wurde kontrovers und emotional
gestritten. Als Ergebnis dieser Diskussion und im Kontext der
Vorbereitung der Aktionen am 8. Mai 2005, an denen die Falken stark
beteiligt sind, macht dieser Artikel einen Vorschlag für eine
Verbandsposition zum 60. Jahrestag der Befreiung.

1. Tag der Befreiung - 8. Mai 1945

Der 8. Mai 1945 war der Tag der Befreiung Deutschlands vom Faschismus
durch die westlichen Alliierten und die Rote Armee der Sowjetunion. Dass
diese Tatsache heute kaum noch öffentlich bestritten wird, musste in der
deutschen Nachkriegsgeschichte mühsam erkämpft werden. Allzu lange galt
das Kriegsende als Symbol für Niederlage und Besatzung. Dagegen halten
die Falken den 8. Mai für einen Anlass zum Feiern und zur Dankbarkeit
gegenüber den alliierten SoldatInnen und den PartisanInnen in allen
besetzten Ländern - jedoch auch für einen Tag des Gedenkens an die
Millionen Menschen, die für den Sieg über den deutschen Faschismus ihr
Leben gaben. 2. Deutsche Schuld

Die deutsche Kriegsschuld muss Grundlage allen Erinnerns an den Zweiten
Weltkrieg sein. Keinesfalls darf die Erinnerung an all jene Menschen
verblassen, die in den deutschen Konzentrationslagern auf furchtbarste
Weise zugrunde gerichtet wurden. Keinesfalls darf die Erinnerung an all
die Menschen in den Hintergrund gedrängt werden, die als Angegriffene
Opfer der deutschen Wehrmacht wurden. Die Schuld am Holocaust trägt
nicht nur die Nazi-Elite oder das "Monster Hitler" allein. Zig Tausende
von Deutschen waren aktiv am industriellen Völkermord beteiligt. Bis auf
eine kleine Minderheit von WiderstandskämpferInnen haben die Deutschen
das Nazi-Regime unterstützt oder toleriert. Auch die heutigen Deutschen
tragen eine besondere Verantwortung für die Erinnerung an Holocaust und
Krieg, für den Kampf gegen jedweden Versuch, etwas Ähnliches zu
wiederholen.

3. Deutsche Täter sind keine Opfer

In den aktuellen Debatten 60 Jahre nach Kriegsende treten immer mehr die
deutschen Opfer in den Vordergrund. Beispiele sind das Gedenken an die
Opfer der Bombenangriffe auf Deutschland und das Schicksal der deutschen
Vertriebenen. Zweifellos gab es auch deutsche Opfer, nicht zuletzt die
Opfer des Faschismus. Ihnen zu gedenken und um sie zu trauern ist
legitim. Form und Absicht dieses Gedenkens sind in den allermeisten
Fällen jedoch revanchistisch. Ziel des "Erinnerns" ist allzu oft,
Kriegschuld und Holocaust zu verdrängen und so eine selbstbewusste,
nationale deutsche Identität wieder möglich zu machen. Die Falken
stellen sich vehement gegen alle Versuche, durch die Umdeutung der
Deutschen von Tätern zu Opfern die deutsche Schuld an Krieg und
Holocaust zu relativieren.

4. Gegen den Neo-Nationalismus der Gedenkweltmeister

Alle sind gegen die Nazis. Die bürgerliche Öffentlichkeit echauffiert
sich über die NPD im sächsischen Landtag und den Beschluss der BVV
Steglitz-Zehlendorf zum Gedenken an den 8. Mai. Doch sind dies eher die
altmodischen Varianten eines konservativen Geschichtsrevisionismus. Der
von der rot-grünen Bundesregierung eifrig gepflegte Neo-Nationalismus
kommt ohne solche plumpen Argumente aus und geht doch zielsicher an
einem linken Antifaschismus vorbei. Die Bundesrepublik wird als
Gedenkweltmeister und positives Gegenbild zum NS-Staat präsentiert, zu
dem es keine Kontinuität gebe. Gleichzeitig sind deutsches Streben nach
Großmachtstatus und Angriffskriege wieder möglich, werden Grundrechte
abgebaut und Flüchtlinge und MigrantInnen aufgrund rassistischer
Kriterien entrechtet. Gegen all dies muss sich ein geschichtsbewusster
Antifaschismus am 8. Mai richten.

5. Ein Antifaschist, der nichts ist, als ein Antifaschist, ist kein
Antifaschist

Antifaschismus muss also mehr sein, als eine Abgrenzung gegen Nazis.
Antifaschismus ist mindestens internationalistisch und noch besser
antinational und kosmopolitisch. Der 8. Mai ist zugleich Anlass zur
Freude und Kampftag gegen Krieg und Militarisierung, gegen staatlichen
Rassismus und nationale Propaganda. Letztlich gilt es die Bedingungen zu
beseitigen, die den Faschismus erst möglich machten oder, wie es Max
Horkheimer ausdrückte: "Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom
Faschismus schweigen."