SEXISMUS IST ALLTAG!

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Positionen SEXISMUS IST ALLTAG!

04.03.2013: Beschluss zum Bundesausschuss, Bochum 23. - 24. Februar 2013

In Zeiten einer zunehmenden Etablierung einer Quote oder einer Frau als
Bundeskanzlerin könnte mensch eigentlich denken, dass sich das mit der
Frauenfrage und der Benachteiligung von Mädchen und Frauen geklärt
hätte. Doch spätestens seit Brüderle, weiß jede*r, dass dem nicht so
ist.

Der Herrenwitz...

Ein Aufschrei zum Thema Sexismus geht nicht nur durch die etablierten
Medien, sondern auch durch die sozialen Netzwerke wie Twitter und
Facebook. Doch was ist der Auslöser für die kontrovers geführte Debatte?
Der Auslöser war ein Artikel einer Journalistin, die ein Porträt über
Rainer Brüderle geschrieben hat. Titel: "Der Herrenwitz". Was war
passiert? Am Rande der Klausurtagung der FDP in Stuttgart kam es abends
in der Bar zu einer Begegnung zwischen der Journalistin Laura
Himmelreich und Rainer Brüderle. Sie wollte ein Gespräch über seine
Zukunft in der Partei mit ihm führen, er nahm sie als Gesprächspartnerin
nicht ernst, und reduzierte ihre Person nur auf ihr Geschlecht und ihr
Alter. Ein Gespräch über Politik kam dabei nicht zustande!

Die Journalistin bewertet diese Begegnung ganz klar als: sexistisch. Und
genau das war es auch: Sexismus Das heißt: Nicht ernst nehmen, Menschen
auf ihr Geschlecht reduzieren, abwiegeln, ausspielen der Macht als Mann
gegenüber einer Frau, diskreditieren. Sexismus hat nichts mit Flirten,
Komplimente machen oder ähnlichem zu tun. Anspielungen auf Aussehen,
Geschlecht und eindeutige Gesten können dann als sexistisch bewertet
werden, wenn diese in keinem Sachzusammenhang stehen. Was hat die
Antwort "Sie können aber auch ein Dirndl ausfüllen" mit der Frage nach
der politischen Zukunft in der Partei zu tun? Nichts! Es existiert ein
gesellschaftlich akzeptiertes und tradiertes patriarchales Machtgefälle
zwischen den Geschlechtern, welches den Sexismus erst möglich macht.

Doch was meint Sexismus eigentlich?

Unter Sexismus wird die Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung
und Ausbeutung von Menschen aufgrund ihres Geschlechtes verstanden.
Sexismus ist also auch immer Ausdruck von Herrschaftsverhältnissen.
Frauen und Männer begegnen sich in der patriarchal geprägten
Gesellschaft nicht auf Augenhöhe, es existiert ein extremes Machtgefälle
zwischen den Geschlechtern.

Und was hat das jetzt mit Herrschaft und u.a. Kapitalismus zu tun?

Die Trennung der Geschlechter ist absolut. In der westlich geprägten
Gesellschaft ist es an der Tagesordnung Menschen zu kategorisieren, zu
separieren und als Folge des Ganzen zu diskriminieren. Absolut meint
hier, dass die Trennung nicht in Frage gestellt wird, sondern sogar noch
als "natürlich" gesehen wird. Die geschlechtsspezifischen
Verhaltensweisen sind angeblich angeboren. Der Ursprung dieser
Separierung der Geschlechter, wie wir sie heute kennen, der
Unterdrückung der Frau, der Reduzierung auf ihr vermeintliches
Geschlecht, ist u.a. im Zusammenhang mit der Entstehung des
Privateigentums zu verstehen. Mit der Entstehung und Etablierung des
Privateigentums geht die Entstehung der patriarchalen, monogamen
Familienstruktur wie wir sie heute kennen, einher. Der Patriarch (Vater)
steht der Familie vor, die Frauen sind ökonomisch und emotional
abhängig. Den Haushalt zu führen ist nun die Privatangelegenheit jeder
Familie, wobei die Frauen bis heute in der Regel noch für die
Reproduktionsarbeit zuständig sind. Aus diesem patriarchalen Verhältnis
ergibt sich das alltäglich erlebte Machtgefälle zwischen den
Geschlechtern, eben die Diskriminierung von Frauen in allen
Lebensbereichen. Die Reduzierung auf das Geschlecht, die
geschlechtsspezifische Zuschreibung von Rollen. Das patriarchale
Geschlechterverhältnis erübrigt sich nicht zwangsläufig mit einer
zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen. Auf der anderen Seite wird aber
stillschweigend davon ausgegangen, dass sie die reproduktiven Arbeiten
allein übernehmen. Es wird erwartet, dass Frauen Karriere machen und
sich trotzdem jederzeit um ihre Kinder kümmern, dass sie gut aussehen,
aber nicht zu viel Zeit dafür investieren. Auf der einen Seite sollen
Frauen sich also von ihrer gesellschaftlich zugeschriebenen Rolle lösen,
gleichzeitig werden sie aber immer wieder darauf zurück geworfen (Frauen
unterliegen damit einer doppelten Vergesellschaftung: auf der einen
Seite sollen sie arbeiten gehen, auf der anderen sind sie aber weiterhin
für die Reproduktionsarbeiten
zuständig).

… als Spiegel einer patriarchal geprägten Herrschaft, die sich in sexistischen Zuständen ausdrückt!

Wir begrüßen die gesellschaftliche Diskussion um Sexismus sehr. Es ist
wichtig, dass sich betroffene Frauen in sozialen Netzwerken äußern
können und dass es endlich mehr Menschen lesen. In der aktuellen
Debatte wird aber vor allem eins diskutiert: Gibt es Alltagssexismus
oder nicht? Wer darf sagen, was sexistisch ist? Und welche Auswirkungen
hat das auf den*die Sexist*in?

Der Begriff "Alltagssexismus" ist eine Neuschöpfung, die eine
problematische Unterscheidung in mehrere "Sexismen" aufmacht. Wer
"Alltagssexismus" sagt, meint auch, dass es besonderen Sexismus geben
würde. Also besonders schlimmen Sexismus - neben dem alltäglichen.

Wir finden diese Unterscheidung nicht hilfreich, sondern problematisch.
Wenn Aussagen, Handlungen oder Strukturen als sexistisch bezeichnet
werden, geht es dabei um keine Einordnung in unterschiedlich schlimme
Kategorien.

Besonders problematisch finden wir zudem, dass feministische Frauen, die
sich kritisch zu dem Thema positionieren, systematisch diffamiert
werden[1]. Feminismus ist kein Schimpfwort! Feminismus ist die nötige
Antwort auf die sexistischen Diskriminierungen, die alle Menschen jeden
Tag aufs Neue unterdrückt!

Sexismus heißt für uns Unterdrückung aufgrund des Geschlechts. Sexismus
hat viele Gesichter. Ganz wichtig ist aber: wie schlimm, wie
außergewöhnlich, wie alltäglich Sexismus von den Betroffenen
wahrgenommen wird, kann nur der*die Betroffene entscheiden!

"Herrenwitze" sind Ausdruck eines patriarchalen Machtverhältnisses, dass
es nicht nur in Politik und Journalismus gibt. Sie sind eine Spielart
des Sexismus, der Frauen immer wieder auf ihre vermeintlichen Plätze in
der Gesellschaft verweist. So lang es nicht möglich ist, dass Menschen
sich unabhängig von Geschlecht begegnen und interagieren können, leben
wir in einer sexistischen Gesellschaft. Die SJD - Die Falken nutzt den
aktuellen Aufschrei, um klar zu stellen:

Sexismus ist ein gesellschaftliches Machtverhältnis, welches in
allererster Linie Frauen diskriminiert! Dies prägt die Identität und
von Frauen und schränkt sie in ihrem Handeln ein.

Die SJD - Die Falken bekämpft Sexismus, sowohl politisch, als auch in
der Erziehung und Bildung! Koedukation und nicht-sexistische Pädagogik
sind unsere tagtägliche Praxis. Feminismus und der Kampf gegen das
Konzept "Geschlecht als sozialer Platzanweiser" sind Strategien des
Verbandes, gegen sexistische Unterdrückung und Herrschaft zu kämpfen.
Sexismus kann nur verhindert werden, wenn sich alle darüber
verständigen, was Sexismus eigentlich meint und die Gründe dafür
benennen können. Und das muss ein permanenter Prozess sein. Daher
fordern wir eine breite, gesamtgesellschaftliche kritische
Auseinandersetzung mit Sexismus.

Wir Falken verstehen uns als ein feministischer Kinder-und
Jugendverband. Für uns bedeutet feministische Politik immer auch
antikapitalistische Politik und wir wollen Herrschaftsmechanismen
aufdecken und angreifen. Dabei reicht es uns nicht, stereotype Rollen
infrage zu stellen und zu reflektieren, stattdessen kämpfen wir aktiv
gegen patriarchale und sexistische Strukturen. Wer von Sexismus redet,
darf von Herrschaft und Kapitalismus nicht schweigen!

[1] "Als vor einigen Jahren das Foto von Brüderle mit den vier leicht
bekleideten "Weingöttinnen" (Brüderle) in der Zeitung erschien, befasste
sich der Frauenausschuss im Mainzer Landtag damit. Noch Jahre später
machte er sich über die "verklemmten" Mitglieder im Ausschuss lustig. Er
bezeichnete sie als "Fencheltee-Trinker" mit "grauen Strickpullis"."
Zitat aus: Der Herrenwitz. Laura
Himmelreich